Kunst
Hiersein ist herrlich.[1]
Einmal, einen Tag eins sein mit dem ganzen Kosmos, alles auf einmal verstehen und sehen, wissen ohne zu begehren. Versöhnt sein mit dem Dasein, im Nirgends ohne Nichts sein, im Hier ohne vorher und nachher sein: den reinen Raum vor uns, in den die Blumen unendlich aufgehn.[2]
Bewußtsein haben, ein Wissender sein, ist nicht wirklich eine glückliche Eigenschaft, sie gibt zwar dem Menschen seine besondere Stellung, aber zugleich macht sie ihn unsicher, ungeborgen und ausgeschlossen aus der Natur. Mit allen Augen sieht die Kreatur das Offene. Nur unsre Augen sind wie umgekehrt und ganz um sie gestellt als Fallen, rings um ihren freien Ausgang.[3]
Der Mensch empfindet sein Leben als Labyrinth und sucht nach Entschlüsselung und Erkenntnis (naturwissenschaftliches Forschen). Gleichzeitig sehnt er sich nach Geborgenheit, Reinheit, Schönheit, Einheit (geisteswissenschaftliches Forschen). Künstler sind Menschen. Menschen, die sich bei der Suche nach Einsicht, Schönheit – den freien Ausgang – methodisch nicht festlegen: sie untersuchen und studieren, sie experimentieren und fantasieren. Dabei entstehen Werke, die sie gegenüber die Schöpfung stellen. Der Schöpfung immer zugewendet, sehn wir nur auf ihr die Spiegelung des Frein,… Dieses heißt Schicksal: gegenüber sein und nichts als das und immer gegenüber.[4]
Obwohl der Künstler von allen Menschen wahrscheinlich das menschlichste (künstlichste) Tier ist – er steht verankert in der Kultur, weit entfernt vom Natürlichen –, kann er durch und in seiner Arbeit an einer Grenze gelangen, wo scheinbare Gegensätze verschmelzen, und eine Einsicht erreichen, die Wissen und Fühlen verbindet: an dem Ausgang der grimmigen Einsicht.[5]
Denn Bleiben ist nirgends.[6] Der Künstler arbeitet hart, er kennt der Stand der Technik und beherrscht die Medien/Technologien/Techniken, die für sein Vorhaben evident sind. Heutzutage ist die digitale Bildbearbeitung, das virtuelle Weltenschaffen (3Dgrafik) state of art. Der Kunstschaffende setzt neue und alte Medien gekonnt ein und kombiniert. So wie er die Hochkultur und Subkultur kennt und verbindet. Der Künstler arbeitet interdisziplinär und schafft branchenübergreifende Werke.
Hiersein ist herrlich. In der Bejahung des großen Ganzen fallen die trennenden Kategorisierungen, der Zeitpfeil scheint aufgehoben. Alles steht im offenen Bezug.
[1] R.M.Rilke siebte Elegie, v. 39
[2] R.M.Rilke achte Elegie, v 15 -16
[3] R.M.Rilke achte Elegie, v 1 -4
[4] R.M.Rilke achte Elegie, v 29-30, v 33-34
[5] R.M.Rilke zehnte Elegie, v 1
[6] R.M.Rilke erste Elegie, v 51